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Formaldehyd

Die unendliche Geschichte?

Wohl kaum ein anderer Schadstoff stand in den letzten 25 Jahren so anhaltend im Zentrum des öffentlichen Interesses wie das Formaldehyd. Es ist wie Asbest, PCP und Lindan heute nicht nur den Fachleuten bekannt, sondern stellt im öffentlichen Bewußtsein den typischen Innenraumschadstoff dar.

Doch im Gegensatz zu den anderen genannten Problem -Substanzen findet Formaldehyd noch heute eine breite Anwendung und ist in jedem Gebäude zu Hause.

Quellen für Formaldehydbelastungen in Innenräumen
Trotz der Diskussionen der vergangenen Jahre werden heute noch fast 90% aller Preßspanplatten mit formaldehydhaltigen Kunstharzen verleimt. Daher sind diese Platten weiterhin die wichtigste Formaldehydquelle in Innenräumen. Hierbei weisen die Materialien der Klassifikation V 20 in der Regel höhere Ausgasungen auf als die V 100-Platten oder OSB-Platten. Ursache hierfür sind die unterschiedlichen Kunstharz-Systeme bei der Spanbindung. Neben den Preßspanplatten zählen auch harzgebundene oder verleimten Plattenmaterialien, wie Laminat, Fertigparkett und Tischler- platten zu möglichen Formaldehyd-Emittenten im Innenraum. Bei Platten mit Oberflächenversiegelungen auf Kunstharzbasis kommen auch diese als potentielle Emissionsquelle in Frage.

Die in Deutschland geltende Regelung für das Inverkehrbringen von Preßspanplatten sieht die Einhaltung der E1 -Materialnorm und damit das Unterschreiten einer Ausgleichskonzentration von 0,1 ppm im Prüfkammerversuch vor. Das dies nicht bei allen Produkten gewährleistet ist, zeigt eine Stichproben-Untersuchung der Zeitschrift „ÖKO-Haus“: Hierbei wurden bei Preßspanplatten aus dem Handel Ausgleichskonzentrationen von 0,05- 0,14 ppm und bei Tischlerplatten von 0,06- 0,26 ppm festgestellt. Im Vergleich zu den 70 er und 80 er Jahren ist jedoch ein deutlicher Rückgang der Materialgehalte zu verzeichnen.Leider konnte sich dies auf die Raumluftgehalte in Innenräumen nur wenig auswirken, da durch die bessere Isolierung der Gebäude und Fenster eine stärkere Anreicherung der Ausgasungen in der Raumluft stattfindet.


Weitere Quellen für Formaldehyd-Belastungen in der Raumluft sind Zigarettenrauch, Zusätze von Farben, Klebern und Reinigungsmitteln. Hierbei handelt es sich jedoch oftmals nur um temporäre Erhöhungen, die nach Beendigung der jeweiligen Tätigkeit und anschließender Lüftung zu keiner anhaltenden Belastung führen.Auch die in der Literatur oft beschriebenen Emissionen aus Teppichrücken, aufgeschäumten Tapeten und Füllungen von Polstermöbeln sind in der Praxis eher selten anzutreffen.

Raumluftgehalte und gesundheitliche Gefährdungen

Die Raumluftgehalte an Formaldehyd sind Ergebnis von Ausgasungen verschiedener Quellen, wo- bei Mobiliar und Bausubstanz oftmals den größten Anteil liefern. Da Formaldehyd ein leichtflüchtiges Gas ist, sollte die Abschätzung der Gesundheitsgefährdung immer auf Basis von Raumluftmessungen erfolgen. Hierbei sind auch die Messbedingungen, wie Lüftungszustand, Temperatur, Feuchtigkeit in der Luft und dem Material, zu berücksichtigen. Bei älteren Fertighäusern können beispielsweise Messwertschwankungen bis zu 100 µg/m³ über das Jahr möglich sein.

Für orientierende Messungen haben sich die im Handel erhältlichen Schnelltests (Passivsammler, zwei Stunden Messzeit, Bewertung auf Basis eines Farbumschlags) als günstige und zuverlässige Methode herausgestellt. Da diese Messsysteme eher dazu neigen zuviel als zuwenig anzuzeigen, kann bei negativem Befund eine Belastung nahezu ausgeschlossen werden.Falls sie jedoch einen deutlichen Hinweis auf eine erhöhte Formaldehydkonzentration ergeben, ist eine laboranalytische Untersuchung durch ein Ingenieurbüro oder Messinstitut anzuraten. Um zusammen mit dem Gut- achten auch Empfehlungen zur Verbesserung der Raumluftsituation geben zu können, sollte im Rahmen der Messung auch eine Quellensuche erfolgen.

Formaldehyd ist in höheren Konzentrationen am typischen stechenden Geruch erkennbar. Bei den gesundheitlichen Beschwerden stehen die Reizungen der Augen und oberen Atemwege im Vordergrund. Als Langzeitwirkungen sind allergisierende Effekte beziehungsweise Wirkungsver- stärkungen bei parallel vorliegenden anderen Schadstoffbelastungen beschrieben. Außerdem ist der Verdacht, dass Formaldehyd krebserregend wirkt nicht vollständig ausgeräumt.

Bei der Bewertung von Raumluftkonzentrationen hat die deutsche Rechtsprechung den vom Bundesgesundheitsamt veröffentlichten Richtwert von 0,1 ppm ( 120 µg/m³ ) weitgehend bestätigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine Unterschreitung des Vorsorgewertes von 0,05 ppm (60µg/m³). Dies entspricht in etwa der durchschnittlichen Raumluftbelastung in deut- schen Innenräumen. Bei sensibilisierten Personen können schon deutlich geringere Werte zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.

Empfehlungen für die Materialauswahl - Reduzierung von Belastungen

Da die Prüfbedingungen für die Einhaltung der E1-Norm im Labor nur bedingt mit der Situation in heutigen Wohnräumen vergleichbar sind, kann die Einstufung als E1 - Platte nicht als Unbedenklichkeits-Zertifikat angesehen werden.

Bei der Auswahl von Mobiliar sollte daher darauf geachtet werden, dass auch im Korpus keine formaldehydhaltigen Preßspanplatten verwendet wurden. Älteren Möbelstücken aus furniertem Preßspanmaterial kann man durch Versiegeln von Lochbohrungen und offenen Stoßflächen diffusionsfest präparieren. Bei der Entscheidung für neue Bodenbeläge sollte beachtet werden, dass bei einigen Laminat- und Fertigparkettböden aus der Verleimung oder Versiegelung Formaldehyd frei werden kann. Im Zweifelsfall sollte der Händler durch den Nachweis von Zertifikaten und Prüfzeugnissen belegen, dass das Material formaldehydfrei ist.

Ältere Preßspanmaterialien in Teilen der Bausubstanz können auch 20 Jahre nach ihrem Einbau zu sehr hohen Raumluftgehalten führen. Ein besonderes Problem stellt die Sanierung formaldehyd- belasteter Wohnungen dar, wenn die hochbelasteten Preßspanplatten aus konstruktiven Gründen nicht entfernt werden können. Dies ist beispielsweise bei alten Fertighäusern der Fall. Hier emp- fiehlt es sich durch Beschichtungen (Folien,Anstriche) eine gasdichte Isolierung in Richtung Innenraum vorzunehmen, wobei die bauphysikalische Problematik eines solchen Eingriffs zu beachten ist.

Beim Neukauf von Innenausbauplatten sieht man sich einer Vielzahl von Produkten gegenüber. Wer Schadstoffe vermeiden will, kann sicherlich beim Einbau mineralisch gebundener Produkte, wie Gipskartonplatten oder Faserzementplatten, nichts falsch machen. Für einige konstruktive Zwecke können diese jedoch die Preßspanplatten nicht ersetzen. Die seit einigen Jahren im Handel erhältlichen sogenannten F 0 Platten mit einer Polyurethan-Kunstharzbindung sind zwar formaldehydfrei, doch unter dem Schadstoffaspekt nur ein halbherziger Kompromiß. Bei der Herstel- lung werden hochtoxische Isocyanate verarbeitet und durch den Einsatz von Holzspänen aus dem Industrierecycling kann auch eine Belastung mit Holzschutzmitteln nicht ausgeschlossen werden. Im Brandfall können aus den Polyurethan-Kunstharzen Isocyanate und Cyanide freigesetzt werden.

Eine Alternative stellt die seit kurzem erhältliche Preßspanplatte eines bayrischer Herstellers dar, in der ausschließlich unbehandelte Späne aus Forstrestabfällen verarbeitet werden. Aufgrund der natürlichen Bindung mit Tannin-Harz und der Ausgasungs- und Material- Analysen k ann man bei diesem Material gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe weitgehend ausschließen. Die Platte bietet die gleichen bautechnischen Eigenschaften wie konventionelle Preßspanmaterialien oder OSB- Platten.

Literaturnachweis: VDI-Berichte 1122:Luftverunreinigung in Inenräumen, VDI-Verlag 1994; ÖKO-HAUS-Magazin 1/99, S. 32-41;ÖKO-HAUS-Magazin 1/00, S. 54-55