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Schimmelpilzschäden und Bakterien bei Neubauten oder Umbauten

IGU Ingenieurbüro Gesundheit + Umwelt

Infoblatt

Schimmelpilzschäden und Bakterien in Neubauten oder bei Umbauten

Was ist ein Mangel, was muss geduldet werden?

Autor: Dipl.-Ing. René Fuchs 2019,  Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger (IHK)

Bestellungsgebiet: Schimmelpilze und Schadstoffe in Innenräumen

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Zusammenfassung

Beim Neubau von Gebäuden und größeren Umbaumaßnahmen besteht grundsätzlich ein erhöhtes Wasserschadens- und Kondenswasserrisiko und damit die Gefahr mikrobieller Besiedlungen auf Bauteilen. Niederschlagswasser kann durch den oft nur behelfsmäßigen Schutz des Bauwerks eindringen (Regenwasserschäden im Dachbereich und in den oberen Etagen, Wassereinträge aus der Baustelle in die Kellerräume). Insbesondere bei Winterbaustellen kann der Kondenswasserausfall durch Wasser aus dem verbauten Betonbauteilen und Mauerwerk, aus den frisch eingebauten Putzen, Estrichen über Wochen zu relativen Feuchten über 90 % führen. In der Folge kann es zu Schimmelpilzbefall meist an den Holzträgern des Dachstuhls und an der Mineralfaserdämmung, den Putzoberflächen, Gipskartonplatten kommen. Häufige enstehen Probleme auch durch nicht sachgerechte Luftdichtheitsebenen oder Beschädigungen an der Dampfbremsfolie durch nachfolgende Gewerke (Kabeldurchführungen, Abluftkanäle, Anschlüsse von Solaranlagen). Bei starken Anfeuchtungen im ausgebauten Zustand können durch ablaufendes Wasser auch die Dämmschichten im Fußbodenaufbau: Polystyrol oder organische Schüttungen aus Getreidespelzen oder Holzfasern sehr schnell verschimmeln.

Durch einen angepassten Bauablauf, ausreichende Abtrocknungszeiten, richtiges Feuchtemanagement, Zwischenreinigungen ohne Besen und Lüftungen sowie schnelle und sachgerechte Bearbeitung von Wasserschäden können die mikrobielle Folgeschäden minimiert oder vermieden werden.

Aus dem BGH-Urteil lassen sich für Bauherren aus rechtlicher Sicht hohe Anforderungen an einen „schimmelpilzfreien Zustand“ ableiten. Mit der normalen Baupraxis ist dieser abstrakte rechtliche Anspruch nur selten in Übereinstimmung zu bringen, denn Holzbauteile oder andere organische Baumaterialien können bereits bei der Anlieferung kleineren Schimmel- oder Bakterienbefall aufweisen und ein absolut schimmelfreies Bauwerk ist nur theoretisch denkbar. Die Vorgaben des Umweltbundeamtes (Schimmelpilz-Leitfaden 2017 u.a.) beziehen sich im Wesentlichen auf hygienische Beeinträchtigungen durch Schimmelschäden, sind also für die Bewertung von werksvertraglichen Ansprüchen und die Übernahme eines mangelfreien Bauwerks nur bedingt verwertbar. Die berechtigten Ansprüche, keine mikrobiologischen Schäden zu übernehmen, erfordern daher eine gründliche Untersuchung auf eventuelle mikrobiologische Schäden, eine saubere Schadensabgrenzung und seriöse Bewertung. Dies ist die Grundlage für angemessene Sanierungslösungen. Der Schadenszustand muss detailliert dokumentiert werden, ebenso wie die ausgeführten Maßnahmen und die Befunde der messtechnischen Nachkontrolle.

Für eine Sanierung von Schimmelproblemen während der Baumaßnahmen ist oft das Erarbeiten und die Abstimmung einer gemeinsam von den Bauherrn und vom Bauträger getragenen Vorgehensweise der richtige Weg. Wenn man sich über den Sanierungsweg einig ist, können innerhalb weniger Wochen wirksame und nachhaltige Maßnahmen umgesetzt werden, die ein mangelfreies, hygienisch unbedenkliches Gebäudes zum Ergebnis haben. Die Einigung auf eine zeitnahe Sanierung ist meist besser als jahrelange Rechtsstreitigkeiten vor Landgerichten mit hohen Kosten für Gerichtsgutachter und Anwälte, zusätzlichem Nutzungsausfall/ Mietkosten sowie einer unklaren Perspektive, da die Gerichte auch bei klarer Befundlage heute sehr unterschiedlich über die Anerkennung von Neubauschäden entscheiden.

Wir bieten unsere 20 Jahre Projekterfahrung für die Schadensdokumentation, Erarbeitung einer Sanierungslösung und eine vermittelnde Rolle zwischen Bauherren und Bauträger.

Schimmelursachen in Neubauten/ bei Umbaumaßnahmen

Typische Schäden in der Rohbauphase sind starke Niederschlagseinträge oder Wassereinbrüche von außen: Durch Unwetterereignisse, Starkregenperioden oder Defekte an der Gebäudeabdichtung oder Installation können tausende Liter Wasser in der Bauphase in den Rohbau eindringen. Bei Aufstockungen auf Bestandgebäuden kann es durch das Betonieren an der obersten Geschossdecke zu Durchfeuchtungen und Verschimmelungen auf Putzoberflächen und Holzträgern des Bestandgebäudes kommen. Ein weiteres mögliches Schadensszenario ist, dass durch Kelleröffnungen oder am Fundamentsockel Niederschlagswasser eindringt und Überflutungen im Keller führt.

Als schimmelanfällig haben sich besonders Baumaßnahmen in Bestandsbauten erwiesen, die bereits mikrobielle Vorschäden an Dachstühlen, Decken oder in den Kellerräumen aufweisen, da hier eine schnellere Neu- oder Wiederbesiedlung stattfindet als auf den neu eingebauten Baumaterialien.

Kondenswasserschäden entstehen in Neubauten oft in den Wintermonaten meist kurz nach dem aufeinanderfolgenden Einbau von Wandputzen und Estrichen. Wenn nicht auf eine ausreichende Abtrocknungsphase zwischen diesen Baumaßnahmen geachtet wird, ist es schwierig die tausende Liter eingebauten Wassers schadensfrei aus dem Gebäude zu lüften. Bei anhaltender Kondensation oder Luftfeuchten über 90% kann es bereits nach ca. 5 - 7  Tagen zu sichtbarem Schimmelpilzbefall auf Bauteiloberflächen kommen. Bei Defekten an der Luftdichtheitsebene oder falscher Ausführung können die angrenzenden Sparrenfelder durchfeuchten. Besonders schimmelgefährdet bei Kondenswasserschäden sind Gipsputze, Gipskarton, Fermazellplatten, Holzfaserplatten, wie OSB und Presspanplatten, verlorene Schalungen. Aber auch weniger anfälligen, aber mit Baustaubanhaftungen verschmutzte Oberflächen wie die Betonunterseite der Geschossdecken, Mauerwerk, Kunststoff-Fensterrahmen, Estrichoberflächen können verschimmeln.

Sobald die dunklen oder farbigen Kolonien als sichtbare Zeichen für Befall erkennbar sind, ist auch mit Sporenfreisetzung und -verfrachtung zu rechnen. Ab diesem Zeitpunkt kann auch eine Kontamination nicht primär befallener Bereiche stattfinden. Eine Abschottung der befallenen Räume und Gebäudeteile ist daher wichtig, ebenso sollte eine unkontrollierte Trocknung befallener Oberflächen mit Warmluftzirkulation vermieden werden.

Nur durch ein schnelles und sachgerechtes Handeln können bleibende Mängel an der Bausubstanz und mögliche gesundheitliche Gefährdung für die Nutzer verhindert werden.

Gesundheitsgefahr durch Schimmel in Neubauten

Abhängig vom Schadensablauf, dem Feuchtigkeitsangebot und den besiedelten Oberflächen bildet sich in Neubauten meist ein schadenstypischer Befall. Auf Oberflächen mit direkter Wassereinwirkung (Wasserschäden/ Rohbauschäden) auf Leichtbauplatten, Holz und organischen Schüttungen im Fußboden dominieren dann typische Wasserschadenspilze, wie Stachybotrys, Chaetomium oder Trichoderma, die insgesamt als gesundheitlich kritischer eingestuft werden. Auf den Kondenswasserschadensbereichen entwickeln sich in der Regel anspruchslosere und unkritischere Pilze, wie Cladosporium, Pencillium, Aspergillus oder Alternaria. Diese Pilze sind unter dem gesundheitlichen Aspekt der nicht ganz so kritisch einzustufen, wie die vorgenannten Wasserschadenskeime. Kondenswasserpilze sollten, auch wenn sie teilweise in der Außenluft  vorliegen, als Befallsflächen nicht in Neubauten toleriert werden.

Bewertung von Schimmelpilzbefall im Neubau, Regelungen und Vorgaben Umweltbundesamt (UBA) u.a.

Zurzeit existieren keine verbindlichen Vorgaben von öffentlicher Seite (Umweltbundesamt, Baugesetzgebung) zur üblichen mikrobiologische Beschaffenheit von Neubauten. Der aktuelle UBA-Schimmelleitfaden 2017 und in die nachgereichten erläuternden Veröffentlichungen des UBA bewerten Schimmelbefall am Dachaufbau und in nicht für Wohnzwecke genutzten Spitzböden und Kellerräumen aus hygienischer Sicht eher unkritisch, niedrige Anforderungen der Nutzungsklasse III (Quelle Schimmelpilz-Leitfaden des UBA 2017):

Trotzdem stellt signifikanter Primärbefall an Bauteiloberflächen im Dach oder Keller in rechtlicher Hinsicht einen sanierungsbedürftigen Mangel, weil sie nicht dem üblichen Lieferzustand entsprechen dar. Die verschiedenen Handwerker sind für die Schimmelfreiheit ihrer Leistung solange verantwortlich, wie noch keine Abnahme erfolgt ist. Sie müssen also die von ihnen eingebauten Bauteile auch nach Abschluss der Arbeiten vor Kondenswasser und Schimmel schützen.

In Anlehnung an das Dachstuhl-Urteil des BGH sollten Neubauten frei von Primärbefall und erhöhten Sporenablagerungen sein. Ob eine nachgewiesene Gesundheitsgefährdung durch erhöhte Raumluft- oder Oberflächenkonzentrationen an Schimmelsporen nachgewiesen werden und eine daraus resultierende Gesundheitsgefährdung abgeleitet wird, ist für die rechtliche Bewertung erst einmal zweitrangig.

Ein absolut sporenfreier Zustand wird unter der normalen Baustellenbedingungen nicht herstellbar sein und kann daher vom Bauherrn nur schwer eingefordert werden, da ja auch Außenlufteinträge typischer Schimmelpilzsporen wie Cladosporium, Alteraria und in geringerem Umfang auch Penicillium und Aspergillus stattfinden, diese Sporen also mit eingebaut werden.

Wegen dieser rechtlichen Grauzone kommt einer qualifizierten und seriösen gutachterlichen Untersuchung und Bewertung besondere Bedeutung zu. Durch gezielte Beprobung, Auswahl der richtigen Beprobungs- und Analyseverfahren und richtige Einordnung der Befunde muss überprüft werden, ob in dem zu untersuchenden Objekt signifikante und damit sanierungsbedürftige mikrobielle Schäden vorhanden sind oder nur kleinere Verfärbungen und Sporenkontaminationen, die als eine unauffällige übliche Beschaffenheit einzustufen sind. Von dieser Bewertung kann es abhängen, ob Gebäude 5 Jahre Gegenstand  eines Rechtsstreits werden oder nach einer kurzen Unterbrechung für die Sanierung fertiggestellt sind und bewohnt werden können.

Nach einer Sanierung sollten die üblichen Hintergrundkonzentrationen nicht überschritten werden und es sollten keine Mängel im Sinne unsanierter Vorschäden verbleiben, die vom normalen, unauffälligen Lieferzustand abweichen. Auch getrocknete oder desinfizierte Befallsflächen mit inaktiven, also nicht anzüchtbaren Schimmelpilzbefallsresten sind gemäß früherer Veröffentlichungen des Umweltbundesamt mit gesundheitlichen Risiken für die Nutzer verbunden:

„Feuchtschäden mit Schimmelpilzwachstum können nachweislich zu Gesundheitsproblemen führen. Daher empfiehlt das Umweltbundesamt (UBA) eine fachgerechte Sanierung: Das umfasst die Beseitigung der Ursachen, die zum Feuchtschaden und damit zum Schimmelpilzwachstum führten, die Reinigung von it Schimmelpilzen befallenen Materialien, wo dies nicht möglich ist, deren Entfernung sowie eine abschließende Feinreinigung der ganzen Wohnung, um noch vorhandene Schimmelpilzsporen zu beseitigen.“ /15/

Es gibt in Deutschland zurzeit eine weitgehend einheitliche Bewertung, welche Schimmelpilzkonzentrationen in unauffälligen/ unbelasteten Neubau-Materialien üblicherweise anzutreffen sind. Die strengste Vorgabe ist in der jüngsten Veröffentlichung aus dem BLEI-Institut 2014 /20/, in der Konzentrationen unter 1000 KBE Schimmelpilze/g als „kein Nachweis einer Besiedlung/ Hintergrund“ angegeben werden. Die übrigen Veröffentlichungen geben diese Grenze mit 5000 KBE Schimmelpilze/g (Labor Umweltmykologie/Trautmann) beziehungsweise 10.000 KBE Schimmelpilze/g (Umweltbundesamt, Labor URBANUS) an.

Aus den eigenen Projekterfahrungen des Unterzeichnens der vergangenen 15 Jahre in Neubauten liegen die üblichen Hintergrundkonzentrationen ungeschädigter Polystyrol-Trittschalldämmung ebenfalls bei unter 10.000 KBE Schimmelpilze/g bei Bebrütungen.

Abb. : Übersicht für veröffentlichte Richtwerte

Definition „vollständig unauffällig“ (Neubauzustand)

Veröffentlichende Institution

Konzentration KBE/g

bei Bebrütung

Mikroskopie-befunde

Erläuterung

 

Umweltbundesamt

„Vorschlag Trittschalldämmungen 2013“

 

kleiner 104

(< 10.000)

mikroskopisch keine Bakterien oder Schimmelpilze (mit vereinzeltem/ keinem Myzel und vereinzelten Sporen)

Kriterien für

„keine Besiedlung“

Labor Umweltmykologie

Dr. Trautmann (2005)

 

kleiner 5x103

(< 5.000)

 

-

Kriterium für „Kategorie 1“

 

 

Labor URBANUS

(Meider 2014, Graßl 2012)

 

kleiner 104

(< 10.000)

-

Kriterium für „Normalwerte“

 

 

BLEI Institut

Polystyrol (EPS) und Mineralfasern (KMF)

(Blei 2014 /20/)

 

Schimmelpilze

< 10³ (< 1000)

Bakterien

kleiner 104

(< 10.000)

 

-

 

kein Nachweis einer Besiedlung/ Hintergrund

 

Erläuternd schreibt das Umweltbundesamt in der Fußbodenrichtlinie 2013 ausgehend von der UFOPLAN-Studie des LGA BW:

In „Trittschalldämmungen im Neubau wurden im Median 10² KBE/g Schimmelpilze gemessen. Bei der Hälfte der Proben lag die Schimmelpilzkonzentration unter der Nachweisgrenze.“

Außerdem sollten keinen schadensbedingt erhöhten Konzentrationen an Indikatorkeimen vorhanden sein.

Vom Umweltbundesamt werden in der  Handlungsempfehlung zur Beurteilung von Feuchteschäden in Fußböden (2013) /11/ für die Beurteilung einer mikrobiologischen Besiedlung der Trittschalldämmung werden folgende drei Stufen definiert:

„Eindeutige Besiedlung

Ein Nachweis für eine eindeutige Besiedlung mit Mikroorganismen liegt bei einer Materialprobe (Polystyrol, Mineralfaser) vor, wenn:

• eine Schimmelpilzkonzentration (insbesondere von Feuchteindikatoren) über 105 KBE/g nachweisbar ist und/oder

• mikroskopisch ein eindeutiges Wachstum mit Bakterien oder Schimmelpilzen (mit viel Myzel, Sporenträgern und vielen dazugehörenden Sporen) erkennbar ist.

Geringe Besiedlung

Ein Nachweis für eine geringe Besiedlung mit Mikroorganismen liegt bei einer Materialprobe (Polystyrol, Mineralfaser) vor, wenn:

• eine Schimmelpilzkonzentration zwischen 104 KBE/g und 105 KBE/g nachweisbar ist und/oder

• mikroskopisch vereinzelt Bakterien oder Schimmelpilze (mit wenig Myzel und wenig Sporen) erkennbar sind.

Kein Nachweis einer Besiedlung

Kein Nachweis für eine Besiedlung mit Mikroorganismen liegt bei einer Materialprobe (Polystyrol, Mineralfaser) vor, wenn:

• eine Schimmelpilzkonzentration unterhalb von 104 KBE/g nachweisbar ist und

• mikroskopisch keine Bakterien oder Schimmelpilze (mit vereinzeltem/ keinem Myzel und vereinzelten Sporen) erkennbar sind. Sind – auch in hoher Konzentration - nur Sporen ohne Myzel und Sporenträger vorhanden, handelt es sich ebenfalls nicht um eine Besiedlung sondern um eine Kontamination des Materials aus einem angrenzenden Schimmelpilzschaden oder aus der Luft.“

Bei nachweisbarem, signifikantem Befall von Polystyrol-Trittschalldämmungen wäre bei Neubauten eine Demontage der Fußbodenkonstruktionen streng genommen erforderlich. Eine technische Trocknung und desinfizierende Behandlung würde lediglich die weitere Befallsausbreitung und –intensivierung stoppen. Aber auch eingetrockneter/ behandelter Befall wäre durch entsprechende Analytik (Gesamtzellzahlbestimmung) noch nachweisbar. Ob sich hieraus gesundheitlich relevante Einträge in den Innenraum ergeben, ist noch umstritten. Aber einem normalen, mangelfreien Lieferzustand werden vorgeschädigte Trittschalldämmungen in der Regel nicht entsprechen.

Feuchtebedingte biogene oder chemische Geruchsauffälligkeiten 

Nach Feuchteschäden kann es neben mikrobiellem Befall auch zu chemischen Reaktionen und Geruchsemissionen aus Materialien kommen. Bekannt sind diese Effekte bei neueren Mineralfaserdämmungen (fischähnliche, aminartige Gerüche).

Die Geruchsprüfung im Rahmen von Sachverständigengutachten wird üblicherweise in Anlehnung an den AGÖF-Leitfaden „GERÜCHE in INNENRÄUMEN – SENSORISCHE BESTIMMUNG UND BEWERTUNG“ durchgeführt. Alle dargestellten Bewertungen und Einstufungen beziehen sich auf diesen Leitfaden (Literaturstelle /16/). Die Vorprüfung hat orientierenden Charakter und sollte Hinweise darauf geben, welche Materialien eventuell erhöhter Feuchtigkeit ausgesetzt waren.

Im Vorschlag des Umweltbundesamtes (2013) /11/ wird ausgeführt:

„Der Rückbau aus hygienischen Gründen eines Fußbodenaufbaus ist dann zu empfehlen, wenn sich eine auffällige Geruchsbildung einstellt und der Sachverständigen diese begründbar dem Feuchteschaden zuordnen kann. Dies kann durch Zersetzungsprozesse in feuchten Materialien oder durch den Eintrag von verunreinigtem Wasser verursacht werden.“

Hierbei handelt es sich um einen Vorschlag, zu den die Fachleute noch Einwände äußern und Stellung nehmen können. Eine standardmäßige Demontage von Fußbodenaufbauten allein aufgrund von chemischen Zersetzungsreaktionen und „unüblichen Gerüchen“ aus den Materialien der Trittschalldämmung  ist heute nicht allgemein anerkannter Stand der Technik. Es gibt keine entsprechenden Untersuchungen, ob und in welchem Umfang diese Ausgasungen in die Raumluft gelangen, ob hier Geruchsschwellen überschritten werden können oder hygienische Beeinträchtigungen stattfinden.

Aus gutachterlicher Sicht sind diese Gerüche lediglich Indikatoren, die bei Auffälligkeiten weitere mikrobiologische Untersuchungen sinnvoll erscheinen lassen.

Die Einstufung der Geruchsqualität erfolgte nach folgendem AGÖF-Schema /17/:

Sanierung von Schimmelpilzbefall in Neubauten oder Umbauten

Die Vorgaben zur Sanierung von Schimmelpilzschäden in Neubauten oder Umbauten entsprechen denen aller anderen Schimmelpilzsanierungen.

Wichtig ist, dass unter fachlicher Vorgabe durch einen Sachverständigen eine Einigung zwischen allen Beteiligten über die zu erreichenden Sanierungsziele herbeigeführt wird. Schwerpunkt der Sanierung sollte immer die möglichst weitgehende sachgerechte Beseitigung der schimmelbefallenen Oberflächen oder Materialien (Primärbefall) und der freigewordenen Sporen und Fragmente (Sekundärkontamination) sein. Gerade an den Holzbauteilen von Dachstühlen wird man in der Regel durch Schimmelpilz-Sanierungsmaßnahmen nur einen Großteil des Befalls an den zugänglichen Flächen bearbeiten können, denn die Oberflächen an den Stößen und Dachoberseite können ohne größere Dacharbeiten nicht bearbeitet werden, was die Angemessenheit von Sanierungsmaßnahmen im Vergleich zu den Kosten einer Dachstuhlerneuerung regelmäßig in Frage stellt (mehr Infos hierzu  http://www.schimmelpilze-schadstoffe.de/schimmel-im-dachstuhl/).

 

Bei stark schimmelbefallenen organischen Baustoffen mit offenporiger Struktur, wie Leichtbauplatten (Gipskarton, OSB-Platten, Fermazellplatten, Holzfaserplatten) oder organische Schüttungen an den Leitungssträngen im Fußboden ist die Sanierung meist nur durch Ausbau und Erneuerung möglich, weil das Pilzmyzel auch in tiefere Schichten eindringt.

Hier sollte wie bei der gesamten Sanierung beachtet werden, dass eine Desinfektion mit Alkohol oder mit Peroxidlösungen, also eine chemische Deaktivierung des Befalls, nicht als eigentliche oder ausreichende Sanierungsmaßnahme angesehen werden kann:

Auch nach Desinfektionen können Sporen und Fragmente freiwerden und in Innenräumen eindringen. Ein weiterer Aspekt ist, dass desinfizierte schadensbedingte Verfärbungen bei späteren Nachuntersuchungen, eventuell vor einem Eigentümerwechsel oder Verkauf des Gebäudes, leicht nachbeprobt und durch Mikroskopie als Restschaden erkannt werden können, was dann ggf. Jahre nach dem Schadensereignis zu Komplikationen, Kaufpreisminderung, Rückabwicklungen, Sanierungskosten führen kann.

 

Ziel der abschließenden Schimmelpilzsanierung muss es also sein:

  1. Ein Bauwerk herzustellen, das unter mikrobiologischen Aspekten dem normalen Neubauzustand bzw. dem vertragsgemäßen Zustand bei Umbauten entspricht, also das weitgehend frei von primärem Schimmelpilzbefall und von schadensbedingt angelagerten Sporen und Fragmenten sein muss.
  1. Im Sinne der Gesundheitsvorsorge sollten die Innenraumluftkonzentrationen und Oberflächenbeaufschlagungen an Schimmelpilzsporen und - bestandteilen nach der Sanierung und abschließenden Feinreinigung auf unauffälligem Niveau liegen (Bewertungsbasis UBA-Leitfaden oder WTA 4-12 Ausgabe: 11.2016/D).

Die Sanierungsarbeiten sind gemäß DGUV 201-028 (früher BGI 858) und Schimmelpilz-Leitfäden des UBA auszuführen. Die ausführende Sanierungsfirma sollte bei den Arbeiten auf staubdichte Abschottung der Arbeitsbereiche, technische Luftführung/ Raumluftreinigung zu achten.

Bei der abschließende Feinreinigung, Vorreinigung aller Oberflächen mit H12/13-Staubsaugern bei gleichzeitiger Luftführung oder Luftfilterung und abschließender Feuchtreinigung.

Der abschließende Erfolg der Sanierungsarbeiten ist durch Sachverständige zu überprüfen. Diese Sanierungskontrolle sollte eine visuelle Prüfung der früheren Befallsbereiche beinhalten, also die Vollständigkeit der Demontage kontrollieren, und außerdem eine messtechnische Reinigungskontrolle durch Luftmessungen und Oberflächenproben. Wir bevorzugen hierbei direktmikroskopische Verfahren, wie Partikelsammlung und Folienkontaktproben, bei denen auch chemisch oder durch Trocknung deaktivierte Sporen und Fragmente zuverlässig nachweisbar sind. Eine Sanierungskontrolle mit Nährböden birgt das Risiko falsch negativer Befunde, weil hierbei nur die anzüchtbaren Sporen erfasst werden, abgetötetes Sporenmaterial ist also mit diesen Methoden nicht zuverlässig bestimmbar.

 

Autor: Dipl.-Ing. René Fuchs 2019,  Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger (IHK)

Bestellungsgebiet: Schimmelpilze und Schadstoffe in Innenräumen

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Literaturverzeichnis

/1/ W. Mücke, Ch. Lemmen: Schimmelpilze, Vorkommen, Gesundheitsgefahren, Schutzmaßnahmen, ecomed-Verlag Landsberg 1999

/2/ Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von        Schimmelpilzwachstum in Innenräumen, „Schimmelpilz-Leitfaden“

       Innenraumlufthygienekommission des Umweltbundesamtes 2002

       http://www.umweltbundesamt.de

/3/ Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen, „Schimmelpilzsanierung-Leitfaden“

       Innenraumlufthygienekommission des Umweltbundesamtes 2005

       http://www.umweltbundesamt.de

/4/ Dr. Regine Szewzyk, Umweltbundesamt Berlin, Fachvortrag beim 15. VDB-Pilztagung im Kloster Banz am 20.06.2011

„WHO Guidlines on dampness and mould“

/5/ Dr. Regine Szewzyk, Umweltbundesamt Berlin, Bauen im Bestand, Ausgabe 5/2013, Spezial: Sanierung von Feuchteschäden

/6/    VDI 4300 Bl. 1 : Messen von Innenraumluftverunreinigungen, Allgemeine Aspekte der Messtrategie, VDI/DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft Bd 5, 1995

/7/    VDI 4300 Bl. 10 : Messen von Innenraumluftverunreinigungen, -Messstrategien zum Nachweis von Schimmelpilzen im Innenraum, VDI/DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft, 2008

/8/  DIN-ISO 16000-1: Innenraumluftverunreinigungen - Teil 1: Allgemeine Aspekte der Probenahmestrategie (ISO 16000-1:2004); Deutsche Fassung EN ISO 16000-1:2006

/9/  DIN-ISO 16000-19: Innenraumluftverunreinigungen, Probenahmestrategie für Schimmelpilze (ISO 16000-19:2012)

/10/ DIN-ISO 16000-21: Nachweis und Zählung von Schimmelpilzen - Probenahme von Materialien (ISO/DIS 16000-21:2012)

/11/ Umweltbundesamt UBA, Handlungsempfehlung bei Feuchteschäden in Fußböden, Entwurf zur Diskussion, Entwurf 2013

/12/ Dr. Blei: Untersuchungen zu Desinfektionsmöglichkeiten und Richtwertermittlungen bei mikrobiellen Schäden in innenraumspezifischen Zementestrich- Fußbodenkonstruktionen, Umweltmed Forsch Prax 14 (5) 240 - 278, ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg
Blei, M.

/13/ Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft BGI 858: Gesundheitsgefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Gebäudesanierung, 2006

/14/ Beurteilung von mikrobiell befallenen Materialien aus der Trittschalldämmung

Dipl. Biol. Nicole Richardson, ö.b.u.v. Sachverständige für Schimmelpilze und andere Innenraumschadstoffe, Sachverständigenbüro Richardson, Husemannstraße 17, 58452 Witten, Veröffentlicht in: AGÖF Kongress Reader September 2010

/15/ Umweltbundesamt UBA, : "Schimmelbefall in der Wohnung“

 Umweltbundesamt, Presseinformation26/2009

    /16/ Meider, Judith:

“Analysis of total cell count in building material - a new way to assess microbial contamination after water damages - Determining the microbiological total cell count in building material, using fluorescence microscopy with Acridine orange.“

 Healthy Buildings 2015 Europe, Eindhoven NL, Paper ID 583

/17/ AGÖF-LEITFADEN „Gerüche in Innenräumen – sensorische

      Bestimmung und Bewertung“

Entwurf des Geruchsleitfadens vom 12. September 2010
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute e.V.

/18/ VDI 3882 Blatt 1 (1992): Olfaktometrie; Bestimmung der

Geruchsintensität. Berlin: Beuth, VDI 3882 Blatt 2 (1994): Olfaktometrie

- Bestimmung der hedonischen Geruchswirkung, Berlin: Beuth

/19/ DIN 10950 Teil 1 (1999) und Teil 2 (2000):

Sensorische Prüfung, Berlin, Beuth

/20/ DIN 10961 (1996): Schulung von Prüfpersonen für sensorische

      Prüfung. Berlin: Beuth

Der Autor

 

Dipl.-Ing. René Fuchs ist nach dem Abschluss des von der FH Lübeck und der Medizinischen Universität Lübeck gemeinsam organisierten Studiengangs „Umwelt- und Hygienetechnik“ sieben Jahre Projektleiter der Abteilung „Schadstoffe in Innenräumen“ am Institut Fresenius Taunusstein gewesen und hat in dieser Funktion Schadstoff- und Schimmelpilzuntersuchungen sowie Sanierungsmaßnahmen in mehr als 1500 Objekten betreut.

 

Seit 1999 führt er sein eigenes Sachverständigenbüro zur Untersuchung von Schimmelpilzen und Schadstoffen in Gebäuden (IGU Ingenieurbüro Gesundheit+Umwelt). Seit 2003 ist er öffentlich bestellter Sachverständiger für Schadstoffe in Innenräumen der IHK. Seit der bestandenen erweiterten Sachverständigenprüfung im Jahr 2005 ist auch er für das Thema Schimmelpilze in Innenräumen öffentlich bestellt und vereidigt. Sein Büro bearbeitet jedes Jahr etwas 250 Projekte für Gerichte, öffentliche Verwaltungen, Firmen, Versicherungen und Privatleute.